04-07-2003

Online îò 1 þëè 2002

 

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4 þëè 2003, 13:40

 

Sehr geehrte Frau Osswald!

Vielen Dank für Ihre Bereitschaft an einem Offline - Interview zum Tschetschenien-Krieg

fuer die bulgarische Online - Zeitung  http://www.oshte.info teilzunehmen!

1.  Sehr geehrte Frau Osswald,

Sie sind eine sehr junge Abgeordnete im Deutschen Bundestag

aus den Reihen der CDU/CSU Fraktion.

Seit wann sind  Sie in der Arbeitsgruppe

für Menschenrechte und Humanitaere Hilfe taetig, welche

konkrete Aufgaben ueben Sie dort aus, fuer welche

konkrete Engagements in der Tschetschenien-Problematik

sind Sie bei Ihrer Arbeit verantwortlich?

Im Ausschuss für Menschenrechte und humanitaere Hilfe bin ich seit Oktober 2002 taetig - also dem Beginn der 15. Wahlperiode. Dabei widme ich mich in erster Linie der Lage in Tschetschenien. Ich plaediere für die Erhaltung der Menschenrechte auf beiden Seiten des Konfliktes und setze mich, soweit dies von hier aus moeglich ist, fuer die Verbesserung der Lage der Zivilbevoelkerung ein. Besonders schlimm ist die Situation für die Kinder. Sie sind durch jahrelange Kriegshandlungen oft schwer traumatisiert. Hier muessen wir ansetzen. Wir muessen immer wieder auf den Tschetschenienkonflikt aufmerksam machen. Ich versuche das auch außerhalb des Parlaments bei Podiumsdiskussionen und Veranstaltungen in meinem Wahlkreis zu tun.

2.    Das Thema "Schutz und Freiheit der Menschen-,

Buerger- und Konfessionsrechte" bleibt bis heute, 13

Jahren nach dem Zerrfall der kommunistischen

Diktatur, in den meisten ehemaligen Ostblock-Laendern

immer noch sehr selten angesprochen, nicht zuletzt,

weil es in sich zusaetzliche, unangenehme Themen und

damit Konflikte beinhaltet und unerwuenscht schwere

oeffentliche Diskussionen hervorrufen koennte.

Sollten nicht, Ihrer Meinung nach, genau diese Fragen

aber im Mittelpunkt der Umgestaltung der

Gesellschaften im Osten stehen, auf dem Weg zur zivilen,

buergerlichen Gesellschaft dort?

Welche Rolle spielt ueberhaupt die

christlich-demokratische Ethik und ihr politisches

Selbstverstaendnis in der Definition und in der Loesung von

Problemen bei Menschenrechtsverletzungen?

Die Einhaltung der Menschenrechte und Anerkennung der menschlichen Wuerde bilden das Fundament jeder entwickelten demokratischen Gesellschaft. Osteuropa muss hier erst noch das Vertrauen des Westens gewinnen. Denn ob wir es wahrhaben wollen oder nicht - auch 13 Jahre nach dem politischen Wandel im oestlichen Teil Europas sind uns die meisten dieser Laender sowohl kulturell als auch politisch noch fremd. Und jedes positive Signal der dortigen Regierungen in Menschenrechtsfragen ist letztendlich auch ein Standortfaktor für Investitionen.

3.  Sie haben sich waehrend Ihrer Winterreise in Moskau mit

Vertretern der Regierung, mit tschetschenischen

Vertretern und mit Vertretern der russischen

Buergerinitiativen, die sich gegen

Menschenrechtsverletzungen engagieren, getroffen.

Welche Eindruecke haben Sie gewonnen, welche Tendenzen

entwickeln sich jetzt in der russischen Politik in

Tschetschenien, was konnten Sie vor Ort feststellen?

Konnten Sie sich mit Opfern und Hinterbliebenen des

Genozids treffen, was haben Sie von den russischen

Menschenrechtsorganisationen und  von den

tschetschenischen Vertretern erfahren? Entsprechen der

Realitaet die Bilder, die Russland von der Lage in der

Kaukasusrepublik und von sich selbst der

Weltoeffentlichkeit praesentiert?

Waehrend meiner Moskaureise habe ich mich mit Vertretern des Kreml und mit Mitgliedern wichtiger Menschenrechtsorganisationen getroffen. Dabei bekam ich alle Meinungen ueber den Krieg im Kaukasus zu hoeren - unkritische, ja positive Berichte ueber die Aktivitaeten einerseits; Horrormeldungen ueber Misshandlungen und Verschleppungen andererseits. Nur eine objektive „Mittelmeinung“, die gibt es offensichtlich nicht. Die Befuerworter und Gegner der gegenwaertigen russischen Politik stehen sich weitestgehend unversoehnlich gegenueber. Diese Tatsache macht die Suche nach Auswegen aus einer komplizierten Konfliktsituation sehr schwer. Immerhin hat der Kreml Menschenrechtsverletzungen zugegeben. Das empfand ich schon als bemerkenswert.

Wie sich die Lage in Tschetschenien derzeit vor Ort darstellt kann ich nicht aus dem Blickwinkel eines Augenzeugen beurteilen, da ich keine Genehmigung zur Einreise nach Tschetschenien erhalten habe. Aber man muss wohl davon ausgehen, dass weiterhin schlimmste Menschenrechtsverletzungen in Tschetschenien begangen werden. Die Anschläge der jüngsten Zeit zeigen ja mehr als deutlich, dass sich die Lage in Tschetschenien seit dem Referendum am 23. März in keinster Weise entspannt hat - eher im Gegenteil.

4.  Wie wuerden Sie die Ergebnisse des so genannten

Referendums für die Verfassung der Tschetschenischen

Republik im Maerz 2003 kommentieren?

Es ist beachtlich, dass Praesident Putin staendig erklaert, die Lage in Tschetschenien auf eine friedliche politische Weis loesen zu wollen. Ich zweifle naemlich stark daran, dass er es ernst meint, wenn er Methoden anwendet wie das umstrittene Referendum. Die Legitimitaet des Resultates, das aus diesem Referendum hervorging, ist durch viele glaubhafte Schilderungen von Menschen vor Ort mehr als zweifelhaft. Man kann also von einem groß angelegten Wahlbetrug seitens der Russen ausgehen. So naehren sich freilich keine Hoffnungen auf eine friedliche Loesung. Die Sicherheit der Bevoelkerung ist nach wie vor nicht gewaehrleistet, und die neuesten Berichte über die Zwangsrueckfuehrung der tschetschenischen Fluechtlinge aus Inguschetien lassen sogar noch eine weitere Eskalation befürchten.
5.  Sehen Sie eine moegliche Rolle Europas und der UNO

für die friedliche Loesung des Konflikts als

realistisch und, vor allem - seitens Russlands - als

zulaessig? Unter welchen Umstaenden und mit welchen

Konsequenzen wuerde, Ihrer Meinung nach, Russland

einlenken?

Es waere wuenschenswert, wenn neutrale Beobachter wieder ins Kriegsgebiet einreisen koennten, um objektiv von der Situation vor Ort Bericht zu erstatten. Wir waeren dann auch wieder in der Lage, eine internationale Druckkulisse aufzubauen. So aber schaltet und waltet Russland praktisch unter Ausschluss der Weltoeffentlichkeit. Auch die OSZE muss endlich wieder in Tschetschenien operieren können. Und eine Praesenz der UNO waere natuerlich ebenfalls wuenschenswert, aber ich bezweifle, dass Tschetschenien in New York bald wieder auf der Tagesordnung ganz oben steht. Nach dem Irakkrieg muss sich die UNO erst einmal selbst wieder neu sortieren. Und Russland wuerde sich ein Eingreifen von Blauhelmsoldaten wahrscheinlich ohnehin verbieten.

6. Denken Sie nicht, dass - in Zusammenhang mit der

Frage der Menschenrechte in Tschetschenien - auch die

Frage der Unabhängigkeit der Kaukasusrepublik gestellt

werden sollte?

Was halten Sie vom  staatlichen russischen Vertrag von

1997, unterzeichnet in Moskau von Boris Jelzin -

bedeutet er nicht de facto die Anerkennung einer

unabhaengigen Tschetschenischen Republik?

Als erstes muss eine friedliche und organisierte Lage im Lande geschaffen werden - und die schafft man nur, wenn die Menschenrechte eingehalten werden. Im Jahr 1997 wurde zwar der russisch-tschetschenische Friedensvertrag unterzeichnet, aber dieser enthielt nur einen vagen Passus ueber den Verzicht auf Gewalt und eine ebenso vage Aussage ueber gleichberechtigte Beziehungen zwischen beiden Laendern. Eine eindeutige Auslegung dieses Vertrages war demnach kaum moeglich, und somit kann auch nicht genau bestimmt werden, welche Konfliktpartei zumindest ansatzweise im Sinne des Vertrags gehandelt hat. Es stellt sich darueber hinaus die Frage, ob angesichts der starken Zerstoerung Tschetscheniens eine Unabhaengigkeit ohne fremde Hilfe ueberhaupt moeglich ist.

7. Wuerden Sie  uns mehr ueber Ihre Initiative am 12.05.03

in Ihrem Wahlkreis in Nuernberg, die Sie zu der Tschetschenien-

Problematik und den Menschenrechtsverletzungen dort organisiert haben,

berichten? Welches Ziel haben Sie sich gesetzt, wie

hat die Oeffentlichkeit reagiert, zeigten die Buerger

ueberhaupt Interesse, was konnten Sie als Ergebnis

danach für sich persoenlich feststellen - was konnten

Sie erreichen, was waere noch (wuenschenswert) zu tun?

Ziel war und ist, das Interesse der Oeffentlichkeit und der Medien an diesem vergessenen Krieg wieder zu wecken. Wir muessen immer und immer wieder auf diesen Konflikt aufmerksam machen, muessen auf die katastrophalen Bedingungen für die Menschen dort hinweisen. Natuerlich interessiert die Deutschen zurzeit eher, was am Monatsende in ihrem Geldbeutel bleibt und wie teuer die Zigaretten noch werden. Aber diejenigen, denen ich von den Schilderungen aus Tschetschenien berichtet habe, waren sehr betroffen. Hier muessen wir ansetzen. Dieses Land braucht dringend Hilfe.

8. Welche Botschaft wuerden Sie an die bulgarischen

Buerger senden, die als feste Waehler 13 Jahre lang die

schwere Reformarbeit der sich als christlich-demokratisch definierten

Union der Demokratischen Kraefte (UDK) begleiten und

unterstuetzen, an diese Bürger, fuer die  die

Begriffe "buergerliche Freiheit" und "Schutz der

Menschenrechte",  und die Errichtung eines zivilen

Rechtsstaates nach dem Ende der kommunistischen Diktatur zum

Kernziel der Politik und ihres buergerlichen

Engagements geworden sind?

Welche Botschaft hinterlassen Sie fuer Ihre jungen,

christlich-demokratischen Kollegen in Bulgarien, die

erst jetzt diese politische Erfahrung machen werden,

die die CDU/CSU in der schwierigsten Phase der

Errichtung der BRD gemacht hat - am schweren Anfang der  Errichtung der

demokratischen Staatlichkeit, nach dem Ende der national-sozialistischen Diktatur und

trotz allem - mit Erfolg,  nach den Prinzipien der

christlich-demokratischen Grundsaetze?

"Freiheit bedeutet Selbstbestimmung, was viel Arbeit jedoch nicht ausschliesst. Aber diese Arbeit lohnt sich immer!"

Íà÷àëî    Ãîðå


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